Das Trio interpretiert improvisatorisch Kompositionen des Bandleaders. Während Tobias Meissl das Ausgangsmaterial liefert und somit nominell als Komponist fungiert, ist die Musik großteils so konzipiert, dass sie mit einem anderen Ensemble ganz anders klingen würde. Würden die Stücke genauso gespielt, wie sie notiert sind, würden sie zwar einwandfrei funktionieren; das ist aber größtenteils nicht die Idee. Während Valentin Duit und Tobias Meissl schon seit über 20 Jahren in verschiedensten Kontexten gemeinsam Musik machen, verbindet Ivar Roban Križić mit den beiden eine mittlerweile auch schon fünfjährige Zusammenarbeit. Daraus ergeben sich ein tiefes Vertrauen und eine musikalische Kommunikation, die Momente zeitweise gespenstischen gegenseitigen Verständnisses hervorbringen. Nach anfangs vereinzelten Trio-Konzerten in dieser Besetzung spielten Duit und Križić als eine der gefragtesten Rhythmusgruppen der Wiener Jazz-Szene in einer Vielzahl verschiedener musikalischer Situationen zusammen. Seit Herbst 2021 entwickelte sich im Tobias Meissl Trio durch zeitweise intensive Probephasen, die erwähnte Zusammenarbeit in unteschiedlichen Sideman-Kontexten, die seit Ende 2022 bestehende Arbeit mit dem Valentin Duit Quartett in der gleichen Besetzung – ergänzt durch Robert Unterköfler am Tenorsaxophon – und nicht zuletzt regelmäßige Auftritte wie etwa ein monatliches Konzert im Wiener Café Frame mit diesen beiden Bands ein gemeinsamer Klang und eine individuelle Art des Zusammenspiels.
Die Kompositionen für das Trio sind demnach seit längerer Zeit speziell für diesen gemeinsamen Klang und die gemeinsame Spielkultur geschrieben. Diese Art der losen Interpretation ist auch bewusst in die Konzeption der Stücke sowie teilweise in die Art der Notation einkalkuliert. Meissl versteht seine Rolle als Komponist für dieses Ensemble also in erster Linie darin, musikalische Gesprächsthemen zu liefern und gewisse Rahmen abzustecken, die dann gemeinsam diskutiert, erkundet und mitunter auch zurückgelassen werden, und weniger darin, musikalische Skulpturen zu bauen, die es möglichst exakt zu reproduzieren gilt. Das komponierte, mitunter detailliert notierte, Material dient also in erster Linie als Ausgangspunkt bzw. Einstieg in ein Netzwerk an Zusammenhängen und ist für sich allein noch lange nicht „das Stück“. Dieses Stück entsteht im Prozess der entwickelnden Variation des Materials, welches von Mal zu Mal unterschiedlich verstanden, angegangen und gelesen werden kann. Stilistisch ist die Musik von verschiedenen Taditionen inspiriert und informiert, kommt aber eindeutig aus einem Jazz-Zugang zum gemeinsamen Musikmachen, während keine vordergründige Anlehnung an konkrete Vorbilder (zumindest nicht beabsichtigt), sondern eher die Synthese eines eigenständigen Klangs angestrebt wird.
Die Musik lässt sehr viel Freiraum zur individuellen Gestaltung und die vielseitigen musikalischen Interessen der Bandmitglieder von Jazz(-verwandter) über zeitgenössische, experimentelle, improvisierte, europäische klassische Musik etc. sind eingeladen, ihren Weg in das gemeinsame Musizieren finden. Trotzdem bleiben die Stücke meistens, nach außen von Aufführung zu Aufführung variierend mehr oder weniger offensichtlich, als Referenz bestehen. Es handelt sich also insofern um größtenteils strukturbasierte Improvisation, deren Ziel es allerdings nicht ist, diese Struktur ständig vordergründig zu markieren oder aufzuzeigen. Das Resultat hat oft einen quasi „durchkomponierten“ Charakter, vielleicht einer improvisatorisch entwickelnden musikalischen Prosa, deren Gliederung nicht immer offensichtlich ist. Die grundsätzliche Idee bleibt es, ein Stück Musik unabhängig vom Grad der Fixierung auf dem Papier als nicht (ab)geschlossen zu verstehen, seine wandelbare Vielgestaltigkeit (an-) zu erkennen und auf seine verschiedenen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten hin zu erkunden.
Für die, die das schon wissen, ist es nichts Neues und es ist auch klar, dass es das schon lange gibt. Für manche sind diese Gedanken aber vielleicht neu und möglicherweise sogar interessant. Um ein besseres (Ab)Bild davon zu erleben, wovon hier so ausführlich geschrieben wurde, kommen Sie in möglichst viele Konzerte des Trios!
Tobias Meissl – Vibraphon & Komposition
David Dolliner – Kontrabass
Valentin Duit – Schlagzeug